„Wider den plötzlichen Herztod: Wir gehen den nächsten Schritt im Bereich der extrakorporalen Reanimation.“
Dr. Thomas Kraft ist seit Anfang Oktober 2022 Vorsitzender Geschäftsführer der Resuscitec GmbH und hat die funktionale Verantwortung für den Vertrieb, das Marketing und die Medical Alliance. Er hat seit zwanzig Jahren Erfahrung in der Medizintechnik und war zuvor bei internationalen Medizintechnik-Firmen in leitender Funktion tätig. Wir haben mit ihm über seine ersten Monate im Unternehmen, über die Alleinstellungsmerkmale von CARL sowie über seine Zukunftsvisionen für die Resuscitec GmbH gesprochen.
Herr Kraft, Sie sind seit zweieinhalb Monaten CEO der Resuscitec GmbH. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Thomas Kraft: Schnelllebig, facettenreich und sehr bereichernd. Unglaublich wie die Zeit fliegt (lacht). Für mich persönlich war es zunächst einmal wichtig, unsere Mitarbeiter und unsere Kunden sowie die Abläufe rund um die Reanimationsversorgungen von Patienten kennenzulernen. Sowohl im Unternehmen als auch im Gesundheitswesen sind es die Menschen und synchronisierte Abläufe, die den Unterschied machen.
Insofern finde ich es wichtig, die Perspektive aller Beteiligten entlang der Patientenversorgung, in unserem Fall der Rettungskette, zu verstehen. Wer interagiert wann und wie mit wem? Beispielsweise geht mir die Wichtigkeit der Laienreanimation in den ersten Minuten eines plötzlichen Herztodes nicht mehr aus dem Kopf. Denn ohne diese ist ein Überleben wenig wahrscheinlich und wir alle wissen, wie heterogen und zum Teil wenig ausgeprägt unser gesellschaftlicher Wissenstand hierzu ist. Es folgt der Einsatz der Notärzte: Welche Alltagsherausforderungen haben sie im Reanimationsfall vor Ort? Wie und warum kommt welcher Patient ins Krankenhaus? Wie funktionieren die Abläufe in den interdisziplinären Kompetenzzentren, wo liegen deren Stärken für einen möglichen Einsatz von CARL und was können wir beitragen, um das medizinische Fachpersonal bestmöglich bei der Etablierung von CARL zu befähigen?
Durch viele Gespräche auf Kongressen, in Fachgremien und in Krankenhäusern vor Ort ist mir aber auch sehr deutlich geworden, dass die aktuellen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen allgemein und in der kardialen Notfallmedizin im Speziellen sehr anspruchsvoll sind: Seien es die Personalverfügbarkeit, die Qualifizierung des Personals, Einsatzteams für den 24 h-Notfall vorzuhalten, finanzielle Bedingungen oder die Koordinierung der interdisziplinären Notfallteams – die Aspekte, die es zu beachten gilt, sind vielfältig. Insofern hat es mich sehr gefreut, bereits viele Anwender und Interessenten für CARL getroffen zu haben. Sie alle eint der Antrieb, den Patienten mit einem plötzlichen Herztod die die Chance auf ein neurologisch intaktes Überleben zu geben.
Das CARL System und seine Komponenten haben viele technologische Leistungsmerkmale. Was sind nach Ihrer Einschätzung denn die wichtigsten Alleinstellungsmerkmale des Systems?
Thomas Kraft: Die Entwicklung des CARL Systems basiert auf Erkenntnissen sowohl aus der medizinischen Forschung als auch aus der klinischen Anwendungspraxis. Für diese therapeutischen Anforderungen wurden dann technologische Lösungen gesucht oder neu entwickelt. Wir nennen es „Therapy guides Technology.“
Ein Beispiel ist die Versorgung der Gefäße mit Sauerstoff nach einer andauernden Minderdurchblutung, die u. a. durch die Bildung freier Sauerstoffradikale zum sogenannten Reperfusionsschaden führen kann. Unsere Lösung basiert auf einer automatisierten Mischung der Umgebungsluft mit Sauerstoff aus einer externen Sauerstoffquelle, sodass sich Oxygenierung und Decarboxylierung präzise steuern lassen. Ein zweites Beispiel ist das Etablieren eines natürlichen, pulsatilen Blutflusses, welches im CARL System über eine leistungsstarke und automatisierte Doppelpumpe im extrakorporalen Kreislauf ermöglicht wird. Als Drittes möchte ich die umfangreiche Messsensorik mit venöser und arterieller Blutgasanalyse sowie intraaortalem Blutdruck-Monitoring durch einen optional integrierbaren Fiberoptikkatheter erwähnen. Die genannten technologischen Beispiele und weitere sind einzigartig, aber erst durch deren Integration und Automatisierung ermöglichen sie im Gesamtsystem den Anwendern im Notfalleinsatz eine patientenindividuelle Therapie.
Zusammengefasst: Die CARL Technologie kann mithilfe einer kontrollierten Reperfusion das neurologische Überleben von Notfallpatienten nach einem Herz-Kreislaufstillstand verbessern. Unsere Mission ist es, Lebensrettung an jedem Ort zu ermöglichen, also sowohl inner- als auch außerklinisch. Dafür wurde CARL als Mobilitätskonzept entwickelt.
Was sehen Sie bei Ihrer Arbeit für die Resuscitec GmbH derzeit als größte Herausforderung?
Thomas Kraft: Wir sind ein junges, schnell wachsendes Unternehmen mit einem bisher natürlich geringen Bekanntheitsgrad. Mit der CE-Zulassung und dem Markteintritt Anfang des Jahres haben wir bereits namenhafte Referenzkliniken gewinnen können und arbeiten derzeit fokussiert daran, neue Referenzkunden zu gewinnen. Eine Herausforderung stellt sicherlich die Internationalisierung dar, denn unser klares Ziel ist es, innerhalb der kommenden 12-18 Monate in 15 europäischen Ländern mit führenden Referenzkliniken zusammenzuarbeiten. Trotz der EU-weiten MDR-Richtlinien gibt es immer noch lokale Zulassungsprozeduren, und die Aufnahme von neuen Therapiekonzepten in die länderspezifischen finanziellen Erstattungsmöglichkeiten sind langwierig und kostspielig, gerade für kleine Unternehmen in der Medizintechnikbranche.
Zusätzlich treffen auch wir auf die Post-Corona-Realität im Gesundheitswesen, was sowohl die Erprobung als auch die Schulung möglicher Anwender erschwert. Über unsere CARL Academy haben wir deshalb extra ein Programm aufgebaut, welches sowohl Simulationstrainings als auch E-Learning-Module umfasst. Die Schulung und Befähigung des medizinischen Fachpersonals ist gerade in Notfallsituationen für interdisziplinäre Teams der Schlüsselfaktor.
Welche Zukunftsvisionen haben Sie für CARL?
Thomas Kraft: Wenn man berücksichtigt, dass aktuell zwischen 10 % bzw. 20 % der Reanimationspatienten einen Herz-Kreislaufstillstand außerhalb bzw. innerhalb einer Klinik überleben und die wenigen Überlebenden oftmals gravierende neurologische Folgeschäden aufweisen, dann leiten wir daraus unseren täglichen Ansporn ab, CARL möglichst vielen Anwendern und Patienten zur Verfügung zu stellen. Damit einher geht einerseits die Integration von CARL in regionale Versorgungsnetzwerke, um den kritischen Faktor Zeit entlang der Rettungskette zu optimieren. So arbeiten wir beispielsweise an der Möglichkeit, CARL auch in der Luftrettung einzusetzen. Andererseits setzen wir unsere Internationalisierung fort und nach Europa wollen wir für uns neue Märkte auch in Übersee erschließen. Denn Lebensrettung mit CARL soll im Fall eines plötzlichen Herzstillstands an jedem Ort auf der Welt möglich werden.
Darüber hinaus arbeiten wir kontinuierlich an der Weiterentwicklung unserer Technologie-Plattform, um einerseits kontinuierlich Verbesserungen einfließen zu lassen und andererseits zukünftig neue Indikationsfelder zu erschließen.
Im nächsten Jahr erwarten Sie die Ergebnisse der PMCF-Registerstudie. Welche Relevanz werden diese Ergebnisse für Sie haben?
Thomas Kraft: Klinische Evidenz ist von hoher Relevanz im Gesundheitswesen und somit auch für uns als Firma. Erst basierend auf klinischen Ergebnissen zeigt sich, ob ein neues Verfahren und/oder eine neue Produkttechnologie das Potenzial hat, sich als ein neuer „Standard of Care“ im Gesundheitswesen durchzusetzen. Neben einer Registerstudie zu CARL, die zur Beobachtung aufgesetzt wurde und die aktuell noch läuft, haben wir ein Portfolio an unterschiedlichen Studien und Projekten laufen, um diverse Fragestellungen aus Forschung und klinischer Anwendung zu untersuchen.
Ebenso wichtig sind für uns Vorträge und Veröffentlichungen von Anwendungszentren, die die ersten klinischen Erfahrungen mit CARL dokumentieren und diskutieren. So hat gerade die Universitätsklinik Regensburg, einer der ersten CARL Anwender in Deutschland, ihre erste Fallserie publiziert. Die Regensburger Ergebnisse sind ein erster Indikator für das Potenzial, welches CARL für Reanimationspatienten hinsichtlich des neurologischen Überlebens bieten kann.