Wenn`s um Sekunden geht
Münchener Abendzeitung, 05.07.2021
Erich Lederer
Wenn das Herz eines Menschen unerwartet aufhört zu schlagen, sollte jeder in der Lage sein, Erste Hilfe zu leisten. Das Vorgehen bei der Laienreanimation ist dabei einfach: Prüfen – rufen – drücken!
Den meisten der Millionen Zuschauer des EM-Spiels Dänemark gegen Finnland dürfte nicht klar gewesen sein, welches Glück Christian Eriksen hatte, als er urplötzlich auf dem Spielfeld mit einem Herz-Kreislaufstillstand zusammenbrach und doch einige Tage später die Klinik wieder nahezu gesund verlassen konnte. Einen Herzstillstand, der nicht im Krankenhaus passiert, überleben im Durchschnitt weniger als zehn Prozent aller Betroffenen. Zwei bis drei Minuten ohne Herzdruckmassage, und Eriksens Gehirn hätte wohl zumindest irreparablen Schaden genommen. Glücklicherweise wussten die Helfer am Rand des Spielfelds, was zu tun war.
Nicht nur Alters-Infarkte
Was in Kopenhagen passiert war, passiert in Deutschland rund 200 Mal am Tag. Würden Sie so schnell reagieren und wissen, wie Sie den bewegungslosen Menschen wieder zurück ins Leben holen können? Warten auf den Rettungsdienst wäre ganz sicher die schlechteste Alternative. Prüfen – Rufen – Drücken, diese Worte sollten fest im Kopf für den Fall des Falles verankert sein.
Die meisten ernsthaften Herzrhythmusstörungen ereignen sich in den Morgenstunden und im Haushalt viel öfter als in der Öffentlichkeit. Der plötzliche Herzstillstand ist für jeden fünften gewaltlosen Tod in den westlichen Staaten verantwortlich und in Deutschland die dritthäufigste Todesursache. Auch wenn es dabei überwiegend Ältere trifft und meist ein Herzinfarkt für den Stopp der Pumpe sorgt, auch rund 9000 junge Menschen im Alter unter 40 sterben in Deutschland diesen plötzlichen Tod.
Neben dem Infarkt, so erklärt Professor Stefan Kääb vom LMU-Klinikum Großhadern, seien etwa eine verschleppte Herzmuskelentzündung, eine erbliche Verdickung der Herzwand oder andere eher seltene Erkrankungen des Herzens Ursachen für den unerwarteten Herzstillstand. Nur etwa jeder achte Herztote war ein echter Risikopatient.
Nicht auf den Defi warten
Wenn es also auf Schnelligkeit ankommt, muss der zufällig Anwesende zum Lebensretter werden. Wie bei Christian Eriksen gesehen, gibt es nicht immer vor dem Zusammenbruch eindeutige Zeichen, auch wenn sich ein Infarkt häufig mit starken Brustschmerzen ankündigt. Wer denkt, ein unregelmäßiger Atem eines Bewusstlosen unter großer Anstrengung benötigt keine Herzmassage, der irrt.
Zum Prüfen gehört der Test: Atmet er/sie noch normal? Reagiert er/sie auf laute Ansprache und ein Zwicken? Wenn nicht, dann sofort die 112 rufen. Wer allein ist, sollte sich danach keinesfalls auf die Suche nach dem Defibrillator – etwa im U-Bahnhof oder in öffentlichen Gebäuden – machen, denn die verlorene Zeit für die Herzdruckmassage kann über Leben oder Tod entscheiden. Also sofort anfangen! Bei mehreren Anwesenden wechselt man sich am besten ab, denn beim intensiven Drücken im Rhythmus des Radetzky-Marsches oder dem „Staying alive“ der Bee Gees lässt die Ausdauer nach spätestens zwei Minuten nach. Wichtig ist, die Herzdruckmassage nicht zu unterbrechen. Wenn ein weiterer Helfer mit dem AED (automatischer externer Defibrillator) zur Stelle ist und und die Elektroden von ihm aufgeklebt wurden, darf der Retter kurz mit der Druckmassage aussetzen, dabei aber nicht vergessen, dass jede Pause von 10 Sekunden oder mehr der Gehirndurchblutung schadet. Nur gut 20 Prozent der stillstehenden Herzen ließen sich überhaupt mit einem elektrischen Schock wieder in Gang bringen, wie Professor Bernd Böttiger, Direktor der Kölner Klinik für Anästhesiologie und Operativer Intensivmedizin und Vorstandsvorsitzender des Deutschen Rats für Wiederbelebung der Abendzeitung erläutert. Generell, aber besonders in Corona-Zeiten ist die Herzdruckmassage viel wichtiger als die zwei Atemzüge der Mund-zu-Mund Beatmung (normalerweise nach 30 Mal Drücken). Wiederbelebung geht in dieser Zeit auch mit Maske und einem Taschentuch über dem Gesicht des Patienten ohne große Gefahr für den Retter.
Reanimation per Telefon
Wer als Rettender die 112 wählt, hat oft schon einen geschulten Gesprächspartner am Telefon, der ihn bei dem, was er tun soll, unterstützt. Angefangen von Prüfen der Lebenszeichen über die Technik der Herzdruckmassage bis hin zur Vorgabe des Takts für das Drücken. Untersuchungen zufolge bringt diese akustische Unterstützung über das lautgestellte Handy sehr viel: Sie verdoppelt bis verdreifacht die Überlebenschancen.
Mit Kühlung Zeit kaufen
Wenn der Rettungsdienst baldmöglichst den Patienten übernommen hat, ist der beste Ort für seine Weiterversorgung ein zertifiziertes „Cardiac Arrest Center“. In München und Umgebung sind das etwa die Klinik in Harlaching und das Klinikum Starnberg. Dort können ausgebildete Ärzte das Herz unmittelbar nach Ankunft etwa mit einem Katheter genauer untersuchen. Ein wichtiges Element bei der Wiederbelebung ist die Kühlung des Körpers. In der Kälte laufen viele Stoffwechselprozesse, also auch jene im Gehirn, sehr viel langsamer und der Sauerstoffbedarf sinkt rapide. Dementsprechend kommt es auch immer wieder vor, dass Menschen besonders im Winter bei Einbrüchen ins Eis oder bei Herzversagen im Hochgebirge auch nach längerer Zeit ohne effektiven Blutkreislauf nicht nur mit dem Leben davon kommen, sondern die Klinik gesund wieder verlassen. So konnten etwa Helfer und spanische Ärzte eine Touristin, die im Dezember 2019 in den Pyrenäen unterwegs war, nach sechs Stunden ohne eigenen Herzschlag wiederbeleben und einige Zeit später gesund aus der Klinik entlassen. Daher senkt auch die Notaufnahme die Körpertemperatur des Patienten nach Herz- und Kreislaufstillstand auf 33 bis 36 Grad.
Maschineller Kreislauf
Kürzlich zeigte eine amerikanische Studie (ARREST) recht eindrucksvoll, dass eine Wiederbelebung mittels ECMO-Apparatur (extrakorporale Membranoxidation) nach zunächst erfolgloser konventioneller Wiederbelebung deutlich bessere Ergebnisse als die bisherigen Methoden erzielt. ECMO ähnelt einer künstlichen Lunge, wie sie etwa auch bei schweren COVID-19-Fällen zum Einsatz kommt. Die Ergebnisse waren so überzeugend, dass die Studie sogar vorzeitig abgebrochen wurde, um die Kontrollgruppe noch der Zwischenauswertung nicht weiter zu benachteiligen. Dabei leiten Schläuche das Blut aus den Venen in die Maschine, die es mit Sauerstoff anreichert und gekühlt wieder zurück in den Körper pumpt. Die gewonnene Zeit gibt den Ärzten Gelegenheit, beispielsweise nötige Sofortreparaturen am Herz vorzunehmen, die für den Stillstand gesorgt haben.
Herz-Lungen-Maschine im Notarztwagen
Vielversprechend weiterentwickelt hat eine solche Maschine das Freiburger Start-up-Unternehmen Resuscitec. CARL (Controlled Automated Reperfusion of the Whole Body) enthält zusätzlich noch einen Wärmetauscher, Sensoren für ein Echtzeit-Blutbild und die Möglichkeit, Medikamente in den Kreislauf zu spritzen. Die Idee dahinter: Blut, das längere Zeit in den Gefäßen still stand, enthält Giftstoffe, die den Zellen bei Wiederanlaufen schaden. Das Gerät „sieht“ ein solches Ungleichgewicht und erlaubt es den Ärzten, unmittelbar darauf zu reagieren.
Ein weiterer Vorteil: Das Gewicht von unter 20 Kilogramm erlaubt die Installation im Notarztwagen. Der Patient kann damit quasi vor Ort fast bestmöglich versorgt werden. Bisher ist CARL erst an einzelnen Kliniken wie etwa in Regensburg im Einsatz, nach Abschluss einer größeren Studie ist die Markteinführung im nächsten Jahr geplant. Dennoch bleibt die Frage, wie sinnvoll ein solcher Einsatz bei Patienten ist, deren Organe – insbesondere das Gehirn – bereits durch den Sauerstoffmangel vorgeschädigt sind und die dann dadurch eher langsam als schnell zugrunde gehen. Den bisherigen Erfahrungen zufolge eignen sich solche ECMO-Geräte zur Wiederbelebung vor allem für junge Patienten ohne Vorerkrankungen.
Bei Laien noch Luft nach oben
Die Coronapandemie hat einerseits zu einer deutlichen Zunahme der plötzlichen Herzstillstände geführt. Auf der anderen Seite halten sich in den letzten eineinhalb Jahren Laien eher zurück, wenn es um die Wiederbelebung geht. Davor stieg der Anteil der Erstversorgung durch nichtprofessionelle Retter in Deutschland von unter 20 Prozent auf rund 40 Prozent. Ebenso wie beim Überleben eines Herzstillstands außerhalb der Klinik liegen wir dabei nur im hinteren europäischen Mittelfeld, während etwa Dänemark, Schweden oder die Niederlande auf rund 80 Prozent Laienreanimation kommen.
Dementsprechend liegt es an der Politik, mit gesetzlichen Vorgaben die Struktur für eine bessere Versorgung und ein besseres Training zu schaffen. Letztendlich aber auch am Überwinden von Widerständen und mangelndem Wissen bei jedem von uns, im Ernstfall so schnell einzugreifen, wie es uns die Fernsehbilder von Christian Eriksen gezeigt haben.
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