Hersteller fordern Apps auf Rezept für alle Versicherten
Handelsblatt.com, 22.07.2021
Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung fordert neue Rahmenbedingungen für die Telemedizin. Andere Branchenverbände verlangen Anpassungen beim Nutzennachweis.
Mehr Möglichkeiten für Telemedizin und Apps auf Rezept fordert der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) von der künftigen Bundesregierung. Der Verband vertritt 143 junge Unternehmen aus der digitalen Gesundheitswirtschaft. Auch andere Akteure wie der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen oder der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) haben bekannt gegeben, welche Schritte sie sich von der Politik in der kommenden Legislaturperiode wünschen.
Hybride Versorgungsmodelle in der Regelversorgung
Eine der 19 Forderungen des SVDGV lautet: Fördert hybride Versorgungsmodelle. Damit sind digitale Produkte gemeint, die erst mit menschlicher Intervention zum Einsatz kommen. Anwendungen fielen schnell aus dem Zulassungsverfahren des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), erklärt Anne Sophie Geier, Geschäftsführerin des SVDGV. Ein Beispiel: Der Arzt beobachtet den Gesundheitszustand seines Patienten über eine App, in der beide Daten sehen können. Die Start-ups wünschen sich für hybride Versorgungsangebote ein Zulassungsverfahren, das etwa dem der digitalen Gesundheitsanwendungen gleicht.
Europäische Standards für Medizinprodukte
Seit Mai dieses Jahres ist die europäische Medizinprodukte-Verordnung in Kraft. Darin sind die Anforderungen für Medizinprodukte der verschiedenen Risikoklassen wie etwa Gesundheits-Apps festgelegt. Dem SVDGV zufolge werden diese Regularien aktuell auf nationaler Ebene fortlaufend erweitert und der Zulassungsprozess für Hersteller erschwert. Hier fordert der Verband einheitliche Standards für alle europäischen Länder.
Digitale Gesundheitsanwendungen für alle
Nur Versicherten gesetzlicher Krankenkassen steht es aktuell zu, sich eine App von einem Arzt verschreiben zu lassen. Menschen, die eine andere Fürsorge erhalten, haben keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten einer digitalen Gesundheitsanwendung (DiGa). Davon betroffen sind zum Beispiel Polizisten, deren Gesundheitskosten über die sogenannte freie Heilfürsorge erstattet werden. „Für eine faire und solidarische Gesundheitsversorgung“ fordert der Verband, dass die digitalen Angebote allen zugänglich gemacht werden.
Zudem weist der SVDGV darauf hin, dass DiGa „gänzlich neue Produktkategorien in der Regelversorgung“ abbilden. Die Mitglieder fordern mehr Zeit, damit Ärzte und Patienten Apps auf Rezept zunächst kennenlernen können. „Statt neu geschaffene Strukturen infrage zu stellen, müssen jetzt voll digitalisierte Prozesse wie die DiGa-Verordnung per E-Rezept oder die Anbindung an die elektronische Patientenakte gezielt gefördert werden“, heißt es in dem Positionspapier der Start-ups.
Der GKV-Spitzenverband legt seinen Fokus auf den Nutzen- und Qualitätsnachweis einer DiGa: „Ein zentrales Problem liegt in der unzureichenden Evidenz von DiGA zum Zeitpunkt der erstmaligen Bewertung.“ Es sei notwendig, das Bewertungsverfahren zum Nachweis der Evidenz schrittweise an die bestehenden Zugangsvoraussetzungen für andere Leistungsbereiche der GKV anzugleichen.
Um hohe Preisforderungen einzelner Hersteller zu verhindern, sollten die Beträge schon zum Zeitpunkt der Aufnahme in das BfArM-Verzeichnis verhandelt werden. Der bvitg hält die Festsetzung von Höchstbeträgen auf jungen Märkten, wie zuletzt auf dem der DiGa und der digitalen Pflegeanwendungen (DiPa), allgemein für nicht zielführend.
Digitale Pflegeanwendungen für die stationäre Pflege
Derzeit sind DiPa nur für die Versorgung in den eigenen vier Wänden gedacht – etwa durch einen Pflegedienst oder Angehörige. Der SVDGV fordert, dass die Technologien zusätzlich in der stationären Pflege eingesetzt werden können. Der Zulassungsprozess für Hersteller soll einfacher werden: zum Beispiel durch die Möglichkeit, den Antrag digital zu stellen.
Eine weitere Hürde aus Sicht der Hersteller: die realitätsfernen Evidenzkriterien für DiPa. Noch bleibe die besondere Pflegesituation dabei unbeachtet. Denn „Pflege findet immer im Zusammenspiel mit Pflegebedürftigen, Pflegedienst und Angehörigen statt“.
Diese Voraussetzungen sollen künftig bei Studien beachtet werden, die Unternehmen vorlegen müssen, um ihre Anwendungen im Rahmen des Digitale-Versorgung-und-Modernisierungs-Gesetzes (DVMG) in die Erstattung zu bringen. Der GKV-Spitzenverband fordert „klare gesetzliche Regelungen für die Zulassungsvoraussetzungen und den Leistungsanspruch.“
Mehr Möglichkeiten für Telemediziner
Telemedizin soll als fester und gleichwertiger Bestandteil in der Gesundheitsversorgung verankert werden, heißt es vom SVDGV. Ärzte sollen die Möglichkeit bekommen, Videosprechstunden von mehreren Orten aus durchzuführen – unter Einhaltung der rechtlichen Vorgaben des Bundesmantelvertrags. Das könnte zum Beispiel das häusliche Arbeitszimmer sein. Die Budgetierungsgrenzen telemedizinischer Behandlungen sollen aufgehoben werden.
Vertragsärzte müssen derzeit bis zu 30 Prozent Abschläge auf die Grund-, Versicherten- und Konsiliarpauschalen für Videosprechstunden hinnehmen. Digitale Sprechstunden werden physischen Sprechstunden gegenüber also benachteiligt. Ärzte können zudem 30 Prozent aller Behandlungen als Videosprechstunde abrechnen.
Der bvitg schließt sich dieser Forderung an: Hürden wie Obergrenzen und Abschläge müssten bei der Abrechenbarkeit konsequent abgebaut werden. Hierzu sei die 2021 festgesetzte Obergrenze sukzessive zu erhöhen oder bei einer großen Nachfrage gänzlich abzuschaffen. Telemedizinische Angebote sollten auch von den politischen Entscheidungsträgern aktiv durch Informations- und Finanzierungskampagnen beworben und gefördert werden.
Der GKV-Spitzenverband spricht sich grundsätzlich dafür aus, Videosprechstunden in Zukunft zu stärken. „Positiv ist, dass die Zahl der Leistungserbringenden, die während der Pandemie-Situation telemedizinische oder videotherapeutische Versorgungsmöglichkeiten genutzt haben, deutlich zugenommen hat.“
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