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Grenzen verschieben

Apotheken Umschau, 01.02.2023

Dr. Achim Gerald Schneider

Herzstillstand: Eine neuartige Maschine macht es möglich, Menschen sogar nach bis zu zwei Stunden erfolgreich wiederzubeleben. In mehreren deutschen Städten wird das System derzeit erprobt

Warum wird jetzt darüber geredet?

Es liest sich wie ein Wunder: Volker D. erlitt einen Herzstillstand. 70 Minuten lang wurde der 43-Jährige wiederbelebt. Erst dann begann sein Herz wieder von selbst zu schlagen. Der Mann erholte sich anschließend vollständig und arbeitet nun wieder als Lehrer.

Eine Maschine macht das „Wunder“ möglich. Sie heißt CARL. Fachleute aus Herzchirurgie und Medizintechnik haben sie an der Uni Freiburg entwickelt und im Jahr 2017 erstmals zur Wiederbelebung von Menschen eingesetzt. CARL ersetzt Herz und Lunge so lange, bis das Pumporgan wieder eigenständig einen stabilen Blutkreislauf aufrechterhält. Die Grafik erklärt, wie das System funktioniert.

Eine erste Pilotstudie mit 14 Patientinnen und Patienten zeigte bereits, was CARL leisten kann. Zwischen 51 und 120 Minuten dauerten die Reanimationen mit dem System. 6 der 14 Behandelten erholten sich, ohne einen Gehirnschaden zu erleiden.

Bis zur Jahresmitte könnten die Ergebnisse einer größeren Studie vorliegen. An ihr beteiligen sich die Unikliniken von Freiburg, Linz (Österreich) und Rotterdam (Niederlande). „Dann werden wir mehr darüber wissen, wie gut die Ergebnisse mit CARL tatsächlich sind“, sagt Professor Bernd Böttiger, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Uniklinik Köln und Vorsitzender des Deutschen Rats für Wiederbelebung.

Was ist neu an dem System?

Nur etwa jede zwölfte Person überlebt einen Herzstillstand – wenn sich dieser nicht gerade in einem Krankenhaus ereignet. Und die meisten Wiederbelebten tragen schwere Hirnschäden davon. Das hat einen ein­fachen Grund: Wird das Denkorgan nicht durchblutet, beginnt sein Gewebe nach rund vier Minuten abzusterben. Deshalb ist es extrem wichtig, dass Ersthelferinnen und -helfer sofort mit der Herzdruckmassage beginnen. Sie bewegen damit Blut zum Gehirn des oder der Leblosen. In der Regel reicht der restliche Sauerstoff, um die Zeit bis zum Einsatz von professionellen Rettungskräften zu überbrücken.

Gelingt es den Notärztinnen oder – ärzten nicht, das Herz wieder zum Schlagen zu bringen, eröffnet CARL eine zusätzliche Chance. Patientin oder Patient wird ent­weder noch am Ort des Rettungseinsatzes an die Maschine angeschlossen oder im Schockraum einer Notfallklinik. Das System ersetzt nicht nur Herz und Lunge. Es verändert zudem das Blut, sodass die Organe möglichst wenige dauerhafte Schäden erleiden und sich von den Folgen des Sauerstoffmangels bis zu einem gewissen Grad erholen können.

Professorin Uta Dahmen hält das System für vielversprechend. „Doch es kann aufgrund seiner Komplexität und seiner anspruchsvollen Technik nur von sehr gut ausgebildeten Fachkräften sinnvoll eingesetzt werden“, so die Spezialistin für Experimentelle Transplantationschirurgie von der Uniklinik Jena. Denn das erfordere beispielsweise, die Blutgefäße an der Leiste über Kanülen mit der Maschine zu verbinden. Eine Prozedur, die Erfahrung und Können voraussetzt.

Wer profitiert schon jetzt?

Menschen in Düsseldorf, Freiburg, Hamburg, Heilbronn, Regensburg und in der Ortenau werden jetzt schon mit CARL reanimiert, wenn herkömmliche Maßnahmen nicht greifen. Weitere Krankenhäuser in Deutschland befinden sich aktuell in der klinischen Erprobung und auch erste europäische Zentren starten. „Ich halte es für ­eine der größten Neuerungen der vergangenen drei Jahrzehnte. Es hat das Potenzial, die Grenzen für erfolgreiche Wiederbelebungen zu verschieben“, sagt Intensivmediziner Böttiger.

Die Herzdruckmassage

1) Prüfen: Ist die Person bewusstlos und atmet nicht?

2) Rufen: Notruf 112 wählen! Dann sofort, bis der Rettungsdienst kommt …

3) Drücken: schnelle und feste Herzdruckmassage mittig auf den Brustkorb.

Quellen:

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