GE Healthcare eifert deutschem Rivalen nach
Handelsblatt, 05.01.2023, Seite 29
Axel Höpner
Die Medizintechniksparte von General Electric ist als unabhängiges Unternehmen an der US-Börse Nasdaq gestartet. In Deutschland gibt es Nachholbedarf.
Siemens hat es vorgemacht: Der Traditionskonzern brachte seine Medizintechniksparte 2018 als eigenständiges Unternehmen an die Börse. Seither hat sich Siemens Healthineers gut entwickelt und im vergangenen Geschäftsjahr einen Rekordumsatz von fast 22 Milliarden Euro erzielt. Nun hat der einstige Erzrivale General Electric (GE), der in den vergangenen Jahren durch eine tiefe Krise gegangen ist, nachgezogen.
Am Mittwoch feierte GE Healthcare im Zuge der Aufspaltung des US-Konzerns sein Börsendebüt. „Wir werden agiler und schneller werden“, sagte Christian Bernhard dem Handelsblatt. Der Manager leitet das neue Unternehmen in der deutschsprachigen Region. GE Healthcare könne nun das Kapital, das es erwirtschafte, selbst wieder in die eigenen Geschäfte investieren. Das sei unter dem Dach eines Mischkonzerns, das in schwierigeren Zeiten auch seine Vorteile gehabt habe, nicht immer so gewesen. „Wir werden davon profitieren, dass wir für uns selbst verantwortlich sind, und werden mehr investieren“, sagte Bernhard.
Im deutschsprachigen Raum will GE Healthcare laut dem Manager überproportional wachsen. Gerade in der sogenannten Großbildgebung, zum Beispiel bei MRT-Geräten, sei der Rückstand auf Siemens Healthineers groß. „Da wurden in der Vergangenheit überambitionierte Ziele ausgegeben, die dann nicht erreicht wurden“, sagte Bernhard. Wegen des Rückstands sei das Wachstumspotenzial überdurchschnittlich. Schon 2022 habe man Marktanteile gewonnen. Auch Investoren sehen Chancen für GE Healthcare. „Die Abspaltung der Gesundheitssparte werten wir positiv“, schrieb DZ-Bank-Analyst Robert Czerwensky. Die GE-Aktionäre könnten nun selbst entscheiden, ob sie an den Wachstumsaussichten im Medizintechnik-Segment partizipieren wollen.
GE-Chef Larry Culp hatte die Aufspaltung des US-Mischkonzerns in drei Teile angekündigt. GE selbst beschränkt sich künftig auf den Flugzeug- und Triebwerksbau. Daneben gibt es noch das Energiesegment GE Venova, das im kommenden Jahr abgetrennt werden soll. Die Amerikaner folgen auch damit dem Vorbild von Siemens, das 2020 die Energiesparte an die Börse gebracht hat.
Als finanzielles Mittelfristziel hat GE Healthcare ein jährliches organisches Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich ausgegeben. Die operative Marge soll bei bis zu 20 Prozent liegen. In den vergangenen Jahren erzielte GE in dem Segment Werte von zehn bis 13 Prozent.
Der erste Kurs von GE Healthcare an der US-Technologiebörse Nasdaq lag bei 54 Dollar, im frühen Handel stiegen die Papiere um sieben Prozent auf bis zu 60 Dollar. Das Unternehmen zog direkt in den Index S & P 500 ein. Investoren hatten für je drei GE-Aktien einen Anteilsschein von GE Healthcare erhalten. Der bisherige Mutterkonzern behält erst einmal bis zu 19,9 Prozent der Anteile.
Der Markt gilt als attraktiv. Nach Zahlen des Beratungsunternehmens Frost & Sullivan wuchs das Medizintechnikgeschäft weltweit im vergangenen Jahr um knapp acht Prozent auf rund 500 Milliarden Dollar. Auf Europa dürften davon etwa 130 Milliarden Dollar entfallen. Als Weltmarktführer gilt Medtronic, GE Healthcare liegt laut den Experten von „Medical Design & Outsourcing“ auf dem siebten Platz.
Die Verselbstständigung von GE Healthcare komme spät, doch sei es der richtige Schritt, sagt ein hochrangiger Brancheninsider. „Sie haben damit die Chance, an Schlagkraft zu gewinnen.“ Allerdings werde das neue Unternehmen nun erst einmal zuverlässig liefern müssen. Mit der Abspaltung verfolgt GE mehrere Ziele.
Neben der strategischen Fokussierung soll die Börsennotierung der Sparten den finanziellen und strategischen Spielraum erweitern. So können Zukäufe mit der eigenen Aktie oder dem Erlös aus Kapitalerhöhungen finanziert werden. Siemens Healthineers etwa hat mit dem Kauf des US-Krebstherapiespezialisten Varian für 16 Milliarden Dollar die größte Akquisition in der Siemens-Geschichte gestemmt.
Laut Branchenkreisen sollen GE Healthcare und Siemens Healthineers auch zu den Interessenten für Teile von Medtronic gehören, die zum Verkauf stehen. Das irische Unternehmen will sich vom Geschäft mit Geräten zur Überwachung und Beatmung von Patienten trennen. Der Komplettpreis wird auf etwa sieben Milliarden Dollar geschätzt.
GE Healthcare kommt zum Börsenstart auf etwa 18 Milliarden Dollar Umsatz, gut 51.000 Mitarbeitende und eine installierte Basis von gut vier Millionen Geräten. Wie die Konkurrenz auch setzt der Konzern stark auf Digitalisierung, Software und vernetzte Geräte. Deutschlandchef Bernhard sieht auf dem Feld drei Hebel. Zum einen arbeite man an der Digitalisierung der Geräte. So soll zum Beispiel in der Bildgebung Künstliche Intelligenz bei der Erstellung von Diagnosen helfen. Eine wichtige Rolle werde auch die Digitalisierung der Arbeitsprozesse spielen, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.
„Die Champions League sind dann die digitalen Plattformen“, sagt Bernhard. GE Healthcare führt gerade an der Uniklinik Essen in einem Pilotprojekt seine neue Plattform Edison ein. Patientendaten sollen hier mithilfe von Analytik und Künstlicher Intelligenz ausgewertet werden.
„Dank dieser Erkenntnisse können Sie die Produktivität steigern, Arbeitsabläufe priorisieren, Nachbesserungsarbeiten reduzieren und für die bestmögliche personalisierte Patientenversorgung sorgen“, heißt es bei GE Healthcare. Wenn es gelinge, ergänzt Bernhard, die Plattform in Deutschland mit seinen strengen Datenschutzregeln zu etablieren, könne man sie in der ganzen Welt anbieten. Auch Konkurrenten arbeiten an ähnlichen Plattformen.
Die Digitalisierung könnte helfen, die Kosten im Gesundheitswesen zu verringern und die Effizienz zum Beispiel von Krankenhäusern zu verbessern. McKinsey sieht hier in einer Studie „eine 42-Milliarden-Euro-Chance für Deutschland“. Bund und Länder wollen über das Krankenhauszukunftsgesetz Digitalisierungsprojekte mit mehr als vier Milliarden Euro fördern.
Bernhard sieht hier Chancen für GE Healthcare. „Die ersten Aufträge haben wir bereits bekommen“, sagt er.
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