EU lenkt bei Kathetern ein
Süddeutsche Zeitung, 07.01.2023, Seite 22
Björn Finke
Die filigranen Teile können Kinderleben retten – doch sie sind knapp: Kliniken haben Probleme, manche spezialisierte Medizinprodukte nachzubestellen, etwa Ballonkatheter und Stents für Kinder. Auch bei anderem wichtigen Handwerkszeug drohe Mangel, warnen Ärztevertreter, zum Beispiel bei bestimmten Skalpellen oder Herzklappen. Schuld daran ist nach Ansicht dieser Kritiker vor allem ein EU-Gesetz, die neue Medizinprodukte-Verordnung. Am Freitag reagierte die Kommission auf das monatelange Drängen von Verbänden und Europaabgeordneten und schlug vor, Übergangsfristen für den Rechtsakt zu verlängern.
EU-Parlament und Ministerrat, die Gesetzgebungskammer der Mitgliedstaaten, müssen den Änderungen noch zustimmen; dies soll in einem beschleunigten Verfahren geschehen. Hinter den Querelen steht die Verschärfung der Medizinprodukte-Verordnung. Die wurde schon 2017 beschlossen, als Lehre aus dem Skandal um minderwertige Brustimplantate in Deutschland und Frankreich. Doch erst seit 2021 gelten die härteren Regeln. Das Gesetz verlangt, dass Hersteller ihre Medizinprodukte bis Mai 2024 neu zulassen, ansonsten erhalten sie nicht das notwendige CE-Zeichen, das belegt, dass die Waren EU-Standards entsprechen. Aber diese Neuzulassung ist aufwendig, teuer und langwierig – sie dauert zwischen 13 und 18 Monaten. Daher ist es nicht zu schaffen, bis 2024 sämtliche Produkte neu zu zertifizieren.
Die Kommission schlägt daher jetzt vor, den Herstellern mehr Zeit zu geben. Die Frist soll von Mai 2024 auf Dezember 2027 verlängert werden, für Güter mit geringem Risiko wie Spritzen sogar bis Ende 2028. Außerdem soll die bestehende Zulassung von Produkten nicht automatisch auslaufen; Krankenhäuser müssen also keine knappen Katheter wegwerfen, bloß weil die Zertifizierung schon so lange her ist.
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