„Durch Praxis Ängste und Unsicherheit abbauen“
Prüfen, rufen, drücken: Durch eine Laienreanimation kann jeder Leben retten. Wir haben mit Patricia Niemietz, CARL Support-Mitarbeiterin und ehemalige Gesundheits- und Krankenpflegerin im Bereich Intensivmedizin, über das Thema Laienreanimation, über Ängste bezüglich der richtigen Technik und über die Etablierung der Laienreanimation in Schulen gesprochen.
Frau Niemietz, Sie sind Gesundheits- und Krankenpflegerin und haben auf der internistischen Intensivstation Reanimations-Notfälle miterlebt. Was passiert, wenn ein Notfallruf hereinkommt?
Patricia Niemietz: Ich habe als Gesundheits- und Krankenpflegerin im Bereich Intensivmedizin viele Jahre auf einer internistischen Intensivstation gearbeitet, wo es regelmäßig zu Notfallsituationen kam. Anders als bei einem Notfall außerhalb des Krankenhauses läuft bei einem Herz-Kreislaufstillstand in der Klinik die Behandlung unter kontrollierten Bedingungen ab. Der Patient ist auf einer Intensivstation bereits an verschiedene Geräte angeschlossen und ein Monitor zeigt an, wenn zum Beispiel eine Asystolie eintritt. Dann starten zwei Pflegekräfte sowie ein Arzt sofort die einzuleitenden Maßnahmen: Eine Person beginnt direkt mit der Herzdruckmassage, dann wird schnell auf ein Thoraxkompressionssystem gewechselt. Ein Notfallwagen mit vorbereiteten Notfallmedikamenten wird herangeholt und die ersten Notfallmedikamente werden injiziert. Das Monitoring sowie die Beatmung werden permanent überwacht, es werden engmaschig Blutgasanalysen durchgeführt und die entsprechenden Maßnahmen werden, je nach Ergebnis, schnellstmöglich angepasst. In solch einer Notfallsituation zählt jede Minute, denn innerhalb von drei bis fünf Minuten ohne Sauerstoffversorgung können erste Zellschäden auftreten.
Die Zusammenarbeit erfolgt Hand in Hand, das Team ist im ständigen Austausch und jeder Schritt am Patienten wird kommuniziert, damit die Prozesse reibungslos ablaufen. Eine Person, in der Regel der Arzt, übernimmt die Leitung und macht dem Team gegenüber klare Ansagen. In solch nervenaufreibenden Situationen ist es sehr wichtig, Ruhe zu bewahren und auch ruhig zu bleiben, um eine optimale Versorgung des Patienten zu gewährleisten.
Ein Herzversagen und insbesondere der plötzliche Herztod kommen überwiegend außerklinisch im Alltag vor. Wie erkennt man so eine Notsituation und was kann jeder von uns in so einer Situation tun?
Patricia Niemietz: Es kann jeden treffen; ob im Supermarkt, an der Tankstelle oder auf dem Heimweg. Wenn man in eine Notfallsituation kommt, sollte man auch darauf vorbereitet sein. Denn bis der Rettungsdienst vor Ort ist, vergehen knapp zehn Minuten, und diese zehn Minuten sind dann für den Patienten lebensentscheidend. Zuerst sollte man prüfen, ob die Person bei Bewusstsein oder direkt ansprechbar ist. Ist dies nicht der Fall, dann direkt den Notruf anrufen oder, wenn eine weitere Person in der Nähe ist, diese bitten, dies zu tun. Daraufhin direkt mit der Herzdruckmassage beginnen: Der Oberkörper sollte frei sein. Die beiden Ballen der Hände übereinander über die Mitte der Brust zwischen die beiden Brustwarzen legen und die Ellenbogen durchdrücken, damit man bei der Herzdruckmassage mehr Kraft hat. Die Herzdruckmassage sollte 100 bis 120 Mal in der Minute erfolgen, und zwar solange, bis der Notarzt eintrifft.
In einer Notfallsituation haben sicher viele Menschen Angst davor, etwas falsch zu machen, bzw. fühlen sich damit überfordert, eine Laienreanimation durchzuführen?
Patricia Niemietz: Es gibt in so einer Notsituation eigentlich kein „Falschmachen“, jeder kann helfen. Wenn man in einer Notfallsituation den Notruf gewählt hat, kann man sich vom Rettungsdienst per Telefon Schritt für Schritt Anweisungen für eine Laienreanimation geben lassen. Dafür stellt man sein Telefon am besten auf die Freisprechfunktion ein. Der Rettungsdienst ist geschult, die entsprechenden Fachkräfte begleiten den Helfer bei jedem Schritt. Am Notfallort sollte man auch versuchen, einen weiteren Helfer hinzuzugewinnen, der einen bei der Laienreanimation unterstützt und mit dem man sich abwechseln kann, damit die Herzdruckmassage effizient bleibt. Durch das Drücken stellt man einen Notkreislauf her, mit Eintreffen des Rettungsdienstes übernehmen dann die Notfallsanitäter die Herzdruckmassage.
Was können Sie empfehlen, wenn man seine Kenntnisse zum Thema Laienreanimation auffrischen möchte?
Patricia Niemietz: Auch wenn jemand nicht so viel Zeit hat, kann sich jeder digital informieren. Ich persönlich finde es sinnvoll, wenn man einen Kurs besucht, wo man eine Laienreanimation aktiv an einer Erste-Hilfe-Puppe üben und sich mit anderen Leuten austauschen kann. Das bringt auch mehr Sicherheit, wenn man dann in eine solche Situation kommt. Vor Ort kann jeder Teilnehmende auch viele Fragen direkt und auf einer persönlichen Ebene klären, und durch den persönlichen Kontakt sich dann vielleicht auch im Nachgang noch austauschen. Das Thema Laienreanimation ist ja komplex, und solche Kurse helfen auch, Automatismen zu trainieren, die in einer Notsituation abgerufen werden können, sowie Ängste und eine gewisse Scheu abzubauen, zum Beispiel mit Blick auf das Infektionsrisiko wie in der Covid-Zeit.
Wie wichtig wäre es aus Ihrer Sicht, die Themen Erste Hilfe und Reanimation schon in den Schulen als Bildungsfach zu etablieren, um der Angst vor einer Reanimation entgegenzuwirken?
Patricia Niemietz: Auch Kinder und Jugendliche können in Notfallsituationen Zeugen sein und zum Lebensretter werden. Daher sind die Aufklärung und Praxiskurse rund um Erste Hilfe und Laienreanimation bereits in der Schule empfehlenswert. Und wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass es nicht bei einer einmaligen Einführung bleibt, sondern dass Kontinuität und aufeinander aufbauende Kurse angeboten werden. Die Regelmäßigkeit ist entscheidend. Dies gilt auch für Erwachsene. Ich persönlich habe durch eine kontinuierliche Praxis und Schulungen viele Ängste und Unsicherheiten abgebaut. Ich selbst halte es auch für erstrebenswert, dass Arbeitsgeber wie Unternehmen und öffentliche Einrichtungen ihre Mitarbeitenden regelmäßig in dieser Richtung weiterbilden. Denn es kann jeden treffen, unabhängig von Zeit und Ort, und dann heißt es: Prüfen, rufen, drücken.